Freitag, 23. September 2016

Scopitone Festival 2016 in Nantes | Cultures électroniques et Arts numeriques | 1. Station : Château des Ducs de Bretagne

Das Château des Ducs de Bretagne



Mein erstes Ziel an diesem herrlichen Herbsttag im September führte mich zum ersten Mal in das berühmte Schloss Château des ducs de Bretagne (dt. Schloss der Herzöge der Bretagne) im Herzen des Stadtzentrums. Es wurde im 13. Jahrhundert erbaut und befindet sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Besitz der Stadt Nantes. Es steht unter strengem Denkmalschutz und wurde nach umfangreichen Restaurationsarbeiten im Jahr 2007 für Besucher und Touristen wiedereröffnet. 

Château des Ducs de Bretagne, Nantes, Installation Pledges
Installationsansicht Pledges, Château des Ducs de Bretagne, Nantes
Das Eingangstor des Schlosses führt auf einen großzügigen Innenhof, in dessen Mitte die Installation Pledges (Promesses) des Künstlers Kalliopi Lemos einen empfängt. Bei dem Boot handelt es sich um eine Allergorie der Reise und der Hoffnungen von Menschen, die im Exil leben müssen. 
Dieses Werk wird im Rahmen der Ausstellung Icônes, trésors de réfugiés (dt. Ikonen, Schätze der Flüchtlinge) gezeigt. In einem weiteren Teil des Schlosses sind die restlichen Exponate noch bis zum 13. November 2016 zu sehen.
Im Hauptteil des Schlosses befindet sich ein historisches Museum über die geschichtliche Entwicklung der Stadt und ihrer Umgebung.
Also hat das Schloss mit seiner ständigen Sammlung und den wechselnden Ausstellungen auch nach dem Festival  mehr zu bieten und ist mit seinem Mix aus Kunst, mittelalterlich-barocker Architektur eine lohnenswerte Sehenswürdigkeit. Zudem hat man von seiner Mauer aus, die ringsum das Monument führt, einen äußerst vielseitigen Ausblick auf die Gebäude der Stadt.

Aussicht Château des Ducs de Bretagne, NantesAussicht Château des Ducs de Bretagne, Nantes



Ryoichi Kurokawa _ constrained curface

 

 

Von der Mauer aus gelangt man auch zu dem Nord-West-Turm in dem drei Räume auf jeweils einer eigenen Etage im Rahmen des Scopitone Festivals den japanischen Künstlern Ryoichi Kurokawa und Katsuki Nogami  gewidmet sind.
Leider konnte die Installation Rekion Voice des Letzteren aus technischen Gründen nicht besucht werden.
Deshalb werde ich nur auf den ersten Künstler näher eingehen und seine zwei Werke vorstellen. 
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts befasst sich Kurokawa für seine Kunstinstallationen selbständig mit Infomatik und Technologie. Auf der Suche nach  verschiedener Formen technischer Synthese, liebt er es Bild und Ton zu manipulieren und neuartig zusammenzusetzen. 

Mit constrained curface setzt der Japaner seine Werkreihe zur zeitlichen und räumlichen Wahrnehmung, welche bereits Rheo : 5 horizons (Scopitone 2010) und unfold (2016) beinhalten, fort. 

Beim Betreten des Raumes herrschte zunächst vollkommende Dunkelheit. Verzerrte Klänge hallten durch die Finsternis und erleichterten mir es nicht gerade mich zu orientieren.
Dann bemerkte ich zwei Bildschirme, die zentriert am Ende des Raumes asymetrisch angebracht waren. Trotz ihrer Größe (geschätzte 50 Zoll) wirkten sie leicht, fast schwerelos.
Dann begann das reflektierende Farbenspiel auf deren Oberfläche.

Installation, constrained curface, Kurokawa
Installation, cunstrained curface, © Rojan-Lynn Frey

Es war kein bestimmtes Bildmotiv zu erkennen, sondern vielmehr ein abstraktes Echo aus Farben, welches auf die elektronischen, ebenfalls unzuordenbaren Klänge zu antworten schien. 
Ich empfand gleichsam eine Mischung aus Verstörtheit und Faszination. 
Diese harmonische Disharmonie [es fällt mir schwer diesen paradoxen Eindruck in andere Worte zu fassen] zwischen Klang und Farbe war hypnotisierend und schaffte es tatsächlich den Betrachter aus der gewohnten Wahrnehmung seiner Umgebung loszulösen.
Diese Installation versetzte einen in eine Art Trance und war eine moderne, berauschende, eine nahezu beunruhigende Offenbarung, eine wahrliche Erweiterung der Sinne!

[An dieser Stelle sei anzumerken, dass ich keineswegs auf irgendwelchen halluzinogenen Drogen war.]







Unfold

 

 

Die zweite Installation des Künstlers Unfold ist ebenfalls eine audiovisuelle Arbeit, die aus drei großflächigen Bildschirmen besteht, die in vertikaler Ausrichtung parabelförmig angebracht sind. Der Raum strahlte ebenso wie der erste, etwas mysthisch-meditatives aus.
Der Betrachter wurde dort jedoch durch Markierungen auf dem Boden zu der Position geleiten, von der aus man optimal in diese artifiziell erzeugte Space-Welt eintauchen kann. Man befand sich in einer Art 3 dimensionalem Raum oder besser gesagt in den unendlichen Weiten des Weltraumes. 

Durch die elektronisch erzeugten Geräusche fühlte ich mich wie auf einer NASA-Forschungsmission. Dank der künstlerisch-wissenschaftliche Kollaboration zwischen Kurokawa und dem Astrophysiker Vincent Minier, welche durch eine Initiative des Festivalorganisators Stereolux und des Zetrums für Innovation CEA Paris-Saclay zustande gekommen war, ist wirklich eine überaus gleichermaßen authentisch und poetische Inszenierung der Sternlandschaft und ihrer Entstehung gelungen. 


Die für uns Normalsterblichen schwer zu begreifenden Eigenschaften des Universums wie dessen Dynamik, Dichte, Temperatur und Farben werden einem hier auf intensive Weise dargelegt. 
Gleichzeitig gibt es die Breaks, die den Zuschauer erschrecken und irritieren, ihn aus dem scheinbar unendlichen gleiten herausreißen und ihn mit seiner □ Ansicht uf die Welt konfrontieren. Das war bei mir persönlich der Matrixeffekt!


Installation, Unfold, © Brian Slater

Ryoichi Kurokawa spielt immerzu mit unseren Vorstellungen von Oberfläche und Raum.
Er bedrängt einen nahezu mit den verstörenden Bildern und Klängen, die er auf wissenschaftlich-physikalischer Grundlage synthetisch erzeugt.
Man taucht ein in eine fremde Welt, in der unsere festgelegte Definition von Zeit und Sphären  in Frage gestellt werden und innerhalb seiner Installationen keine Rolle zu spielen scheinen.                   
                                                       

Eine sinnliche Erfahrung, die auch noch nach Verlassen der Ausstellungsräume  nachwirkt. Ich habe mich im Anschluss erst einmal auf die Schlossmauer gesetzt und den Ausblick auf Nantes aus einer neuen Perspektive wahrgenommen, bevor ich euphorisch durch meine geweckte Neugier und ganz ohne Zeitdruck in einem Petit Café meine Scopitone-Route weitergeplant habe.


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[2. Station: Passage Sainte-Croix und die Konfrontation mit den Mobilfunkstrahlen




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